Es muss nicht immer der Hörsaal sein
Am 24. Mai besuchten auf Initiative der KIT-DeFI 13 Studentinnen und Studenten des 2. und 4. Fachsemesters Maschinenbau das Lycée Couffignal in Strasbourg. Dort führten sie im Rahmen der „Classes Préparatoires“ unter Leitung der Dozenten Herrn Wendling und Frau Armand „Travaux Pratiques“ an Versuchsobjekten und PC durch. Was die Studierenden dabei mitnahmen, finden Sie im nachfolgenden studentischen Bericht:
Viele Wege führen zu einem erfolgreichen Grundstudium. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Unterschiede in den verschiedenen nationalen Bildungssystemen bestehen, selbst zwischen zwei so eng miteinander verzahnten Ländern wie Deutschland und Frankreich.
Hunderte von stillsitzenden Studenten, die dem Powerpoint-Faktengewitter eines Dozenten per zuhören oder praktische Laborversuche, mit eigenem Erschließen der technischen Gesetzmäßigkeiten? Eine freie universitäre Ausbildung hin zu einem selbstständigen Studenten oder die Weiterführung schulischer Behutsamkeit und betreuten Lernens? Das deutsche System des Grundstudiums an der Universität oder die französische „Classes Préparatoires“ als Vorbereitung auf ein Ingenieursstudium – was ist zu bevorzugen?
Gerade aufgrund dieser ganz unterschiedlichen Wege der Vermittlung von Lehrinhalten an deutschen und französischen Hochschulen ist ein Blick auf die jeweils andere Seite des Rheins umso bereichernder. So bekamen 15 deutsche Maschinenbaustudenten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) am 24. Mai 2013 einmal die Möglichkeit, dem vollen Hörsaal zu entfliehen und einen Vormittag mit einer der französischen „Classes Préparatoires“ im elsässischen Strasbourg mechanische Bewegungsabläufe zu analysieren.
Organisiert wurde dieser Einblick in das französische System von der Deutsch-Französischen Initiative des KIT, KIT-DeFI, die schon seit Jahren den deutsch-französischen Studentenaustausch ermöglicht.
Was sofort auffiel, war die großzügige Ausstattung in dem französischen Gymnasium. Neben einer umfangreichen Ausstattung der Laborräume mit verschiedensten mechanischen Modellen verfügt die Schule zudem über eine ganze Halle mit unterschiedlichen Fertigungsmaschinen, sowohl für die Metall- als auch für die Holzverarbeitung. Eine Ausstattung angesichts einer Klassengröße von ca. 16 Schülern, die einen deutschen Studenten nur träumen lassen. Erlebt man in deutschen Vorlesungen meist nur die Inhalte über Folienpräsentationen, greift man in Frankreich ganz wörtlich erst zum Modell, um dann auf die Theorie zu schließen.
Diese Methode stieß bei den deutschen Studenten auf große Begeisterung.
Der schulische Charakter bleibt der Labor-Kulisse aber haften. In französischen „Classes Préparatoires“ gilt wie auch in der Schule Anwesenheitspflicht. Die intensive Betreuung der „Lehrer“ bedeutet auch ein relativ betreutes Lernen der „Schüler“ mit weniger Selbstständigkeit. Und trotz der industriellen Ausstattung bleibt ein künstliches Klima des Schulwesens erhalten, das nicht die Realität im Unternehmen widerspiegeln kann. Auch stellt eine Folienpräsentation oder eine klassische Vorlesung den Studenten mehr Inhalte in kürzerer Zeit zur Verfügung, wenn auch die Synthese im Labor zwischen Learning-by-doing und theoretischer Abstraktion nachhaltiger wirkt.
Vor allem ist aber zu bedenken, dass sowohl die „Classes Préparatoires“ wie auch die darauf folgenden „Grandes Écoles“ nur einigen wenigen als Bildungsmöglichkeit zur Verfügung stehen.
So zeigt sich für die deutschen Studenten das französische System teilweise als Verwirklichung der Idealvorstellung praktischer Inhaltsvermittlung, die zwar wahrscheinlich nicht auf das System der deutschen Universität übertragbar ist, aber viele interessante Unterschiede aufweist.
Ein Blick über den Rhein ist somit jede Mühe wert, und eine Erkenntnis bleibt:
Es muss nicht immer der Hörsaal sein.
Autor: Julian Sander
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